Frau Vogl, wie kommt man eigentlich als studierte Slawistin zu einem Cafe in Konstanz?
Durch die kurzfristige Politik des Kultusministeriums. Ich wurde vor dem Studium
aufgefordert, Russisch zu studieren und Lehrerin zu werden. Am Ende meines
Studiums wurde der Russisch-Unterricht an den Schulen wieder eingestellt. So ist
das gekommen.
War das Ihr Traumberuf oder hat der Zufall Sie geführt?
Es war doch eher der Zufall, der mich zu meinem Traumberuf geführt hat.
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Mein Erfolgsrezept ist, dass ich mich nicht darum schere, wie man etwas macht oder
was man sagt oder was die Leute denken. Mein Motto ist: I am what I am.
Authentizität, Leidenschaft, Überzeugungen auch gegen den Strom und Zeitgeist zu
vertreten. Das kann manches Mal auch komplett in die Hosen gehen, das habe ich
zeitweise auch schon erlebt. Das Projekt "Voglhaus" war nicht immer erfolgreich.
Vieles musste ich nachjustieren. Wenn's geklappt hat, war es immer auch ein Vorteil,
nicht mit dem Strom geschwommen zu sein. Ich wollte etwas ganz Besonderes
schaffen.
Haben Sie Freude an dem, was Sie tun?
Ja, sonst würde ich es nicht machen. Aber ich bin grade dabei, Dinge anders zu tun.
Ich gehe mehr raus aus dem Tagesgeschäft, ich gehe in eine neue
Entwicklungsstufe in der Art wie ich die Geschäfte führe. Ich lasse vieles meine
Mitarbeiter machen. Die wachsen stark an deren Aufgaben. Ich bin immer auf der
Suche nach neuen Ideen. Auch für mich privat.
Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Aus einer enthusiastischen Einstellung heraus. Ich hasse den Zynismus, die
Besserwisser-Pose, von wegen "wir wissen Bescheid, wie alles gemacht wird". Das
konnte ich noch nie leiden.
Wie bringen Sie ein Cafe und ein Kaufhaus unter einen Hut?
Mit einer großen Schar engagierter und motivierter Mitarbeiter. Im Grunde ist das ein
logistischer Wahnsinn. Wir haben alleine 300 Lieferanten, ich besuche unendlich
viele Messen, um Schönes zu finden. Dieser Weg ist schwierig und mit sehr viel
Arbeit verbunden. Wir machen nicht die schnelle Mark.
Muss man ehrgeizig sein, um so einen Erfolg zu haben?
Ja, wobei sich mein Ehrgeiz nicht darauf gerichtet hat, ein bestmögliches Rating für
die Banken zu erzielen, ich schaue nicht nur auf die Betriebswirtschaft. Das ist zwar
wichtig, aber man muss auch tun dürfen, was man tun möchte. Für mich waren
Freunde, meine Hunde, mein Privatleben immer so wichtig wie mein Geschäft.
Woher stammt eigentlich die Idee zur originellsten Toilette am Bodensee?
Es gibt in vielen Lokalen das Dilemma, oben schickes Restaurant, unten im Keller
die schmuddeligen Toiletten. Man muss nur etwas Herz und Verstand haben, um
das zu ändern und um zu wissen, wie man seine Gäste gut behandelt. Die Details
sind beim Umbau entstanden, die Handwerker haben einen richtig guten Job
gemacht.
Sie beziehen Erlesenes für Ihr Cafe hauptsächlich aus der Region. Sind Sie eine Ökotante?
Ich höre eine Ironie bei Ihnen. (lacht) Wieso gibt es eigentlich keine Ökoonkels?
Ökotante hört sich etwas sexistisch an. Ökotanten finden den Pullover nur schön,
wenn er kratzt oder den Apfel nur gut, wenn ein Wurm drin steckt. Ich versuche den
Sachverstand einzubringen, den man für ökologisches Handeln braucht. Ein Beispiel:
Wir benötigen täglich etwa 100 Liter Milch. Jetzt stehe ich vor der Wahl, ich nehme
Öko aus der Region im 1 Liter Tetrapack oder ich nehme Milch aus Norddeutschland
oder Dänemark in der 10 Liter-Box. Es würde immenses Expertenwissen benötigen,
um die beiden Möglichkeiten hundertprozentig gegeneinander abzuwägen. Die 10
Liter-Box ist in dem Fall für uns einfach auch praktischer. Bei Ökofragen gibt es kein
Alles oder Nichts, sondern nur ein mehr oder weniger gut. Wir bemühen uns, das
alles stets optimal zu machen.
Was bieten Sie Ihren Gästen, damit die sich so richtig wohl bei Ihnen fühlen?
Niemals -dick unterstrichen- betrachte ich unsere Gäste nur als Umsatzbringer.
Natürlich leben wir davon, Dinge zu verkaufen. Das findet auch in unserem Corporate
Design Ausdruck, wo erklärt wird, was es alles gibt. Egal ob ich Gäste bei mir privat
oder im Voglhaus habe, ich liebe die Menschen, die meisten jedenfalls und ich
möchte, dass es ihnen gut geht. Deshalb werden unsere Mitarbeiter auf die 4
Voglhaus M's geschult:
Man muss Menschen mögen.
Woher stammt die Idee für das berühmte Voglhaus-Brutzelbrot?
Wie bei den meisten guten Ideen haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Nach
der Eröffnung stellten wir fest, dass der Bedarf nach einer warmen Mahlzeit bei uns
sehr groß war. Nachdem wir so wenig Platz in der Vorbereitungsküche haben,
suchten wir nach der wirklich guten warmen Mahlzeit, die wir mit wenig Platz
hinbekommen. So war das Brutzelbrot geboren, der Name entstand in einem
Brainstorming mit den Mitarbeitern.
Was bedeutet Ihnen Sinnlichkeit?
Alles. Ich weiß wovon ich rede, denn ich bin gerade frisch verliebt. Wir sprechen
unsere Gäste immer auf allen Sinnen an.
Was war Ihr ursprünglicher Gedanke bei der Gründung Ihres Unternehmens?
Was hätte ich gerne, wenn ich irgendwo als Gast wäre oder einkaufen möchte, ich
suche eine schöne Umgebung, nette Mitarbeiter, eine gute Qualität mit ökologisch
und sozial ausgewogenen Bedingungen.
Wie verwöhnen Sie Ihre Gäste?
Wir bieten eine ernst gemeinte Gastfreundschaft mit ernst gemeinter Zuwendung.
Das geben meine Mitarbeiter den Gästen. Wir verwenden viel Arbeit darauf, wie sich
die Mitarbeiter zu den Gästen optimal und freundlich verhalten können und sollen.
Gehen Öko und Kommerz bei Ihnen zusammen?
Nicht immer, manchmal gelingt es, manchmal nicht. Ich bin immer auf der Suche
nach dem optimalen Kompromiss.
Was bedeutet Ihnen Mode?
Wir wollen nicht "Ich kaufe also bin ich" haben. Kein Markenfetischismus, keine
Preisschlachten. Im Sommer Wintermäntel kaufen und im Winter Sommerkleider
kaufen, das lehnen wir ab. Wir wollen Mode, die auch über mehrere Jahre einen
individuellen Stil bringt. Genau das denken viele Kunden, deshalb sind wir
erfolgreich.
Was für Ziele haben Sie für die Zukunft?
Persönlich gesehen möchte ich rund werden, das nenne ich so. Nach Jahren mit viel
Arbeit und hohem Tempo, auch mit den männlichen Attributen wie Durchsetzung,
wurde ich manchmal als Dampfwalze bezeichnet. Momentan habe ich ein riesiges
Bedürfnis nach Rückzug. Ich besuche immer wieder Seminare bei einem Trainer, der
hat einen guten Vergleich angestellt: Das Leben ist wie ein Fußballspiel, wer in der
zweiten Hälfte noch in dieselbe Richtung spielt, hat die Spielregeln nicht verstanden.
Also Rückzug, Weiblichkeit, in den Tag hinein leben. Das Pendel schlägt zurück zu
meinem Besten. Ich nehme neue Impulse aus meiner Kehrtwendung. Das spürt
man auch im Geschäft. Ich tue mehr für mich, Klavier- und Gesangsunterricht, Yoga,
ich schreibe viel.
Was essen und trinken Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?
Zur Zeit esse ich am liebsten Nudeln mit Gemüse und dazu einen Rotwein oder
Crémant aus dem Elsaß.
Was inspiriert Sie?
Alles mögliche, zum Beispiel Filme, aktuell gerade ein Film über die Doors. Oder der
Film "Bird" über Charlie Parker, den legendären Jazzmusiker. Alles taugt zur
Inspiration, wenn man es zuläßt.
Was lesen Sie aktuell?
"Liebesnähe" von Hans Josef Ortheil.
Ihr Lebensmotto?
Albert Schweitzer's "Ein freier Mensch..." ist als Voglhaus - Kaffeesatz im Internet zu
sehen. "Eigenverantwortung und nicht für Geld Scheiße backen"
Haben Sie Träume?
Was für eine Frage (lacht).... Mein derzeitiger Traum ist es, in ein paar Jahren mit dem
Wohnmobil und meinem Traummann einen Sommer lang durch Europa zu fahren.
Schreiben, Musik machen, Impulse für das Voglhaus finden.
Was wünschen Sie dem Voglhaus für die Zukunft?
Eine kontinuierliche Weiterentwicklung, meine Mitarbeiter sollten sich auch
gegenseitig inspirieren. Unser tief verankerter Voglhaus-Spirit sollte erhalten bleiben.
Die von mir ins Leben gerufene Voglhaus-Akademie soll sich weiter entwickeln.
Meine Vortragspläne, mit dem Voglhaus-Konzept ein Vorbild für den Einzelhandel
sein zu können, sollen sich verwirklichen.
Frau Vogl, danke für das Gespräch
Das Interview führte Johannes Fröhlich